Mein Blog: Santiago – Taipei (und Offenburg mittendrin)
Warum jetzt SPD wählen?

Kein Zweifel: Das Ergebnis unserer SPD bei der Landtagswahl war niederschmetternd.
Gerade bei uns in der Region erschüttern uns einstellige Prozentzahlen.
Man möchte sich kopfschüttelnd abwenden: Warum sehen die Wähler denn nicht, was wir in den vergangenen Jahren unter schwierigen Bedingungen als kleinerer Partner in einer Großen Koalition erreicht haben? Den Mindestlohn, den Einstieg in den Ausstieg aus Harz IV, die Rückkehr zur Parität bei der Krankenversicherung und so weiter und so fort. SPD-Minister*innen haben mit ihrer soliden und hartnäckigen Art praktische Politik für die Menschen gemacht.
Die Ehe für alle? Ein Lieferkettengesetz, das weltweit für mehr Fairness sorgen soll? Den Atomausstieg? Die Voraussetzungen für den (zeitweiligen) Boom der erneuerbaren Energien? Wohin man schaut: Ergebnisse sozialdemokratischer Regierungspolitik.
Demgegenüber hat die Union viele Skandale und heiße Luft zu bieten. Ihre Minister:innen sind so unbeliebt wie nur was. Und dennoch liegt die CDU bei knapp 30% und wir bei unter 20%.
Erste Erkenntnis: die Wähler*innen belohnen uns nicht für vergangene Verdienste. Und sie erkennen auch nicht an, was wir an Fortschritten erreicht und an Schlimmeren verhindert haben, wenn wir mit der Union Kompromisse machen müssen. Die Kritiker der GroKo haben das befürchtet. Die Befürworter verweisen – mit Recht – auf die vielen Maßnahmen, die wir umgesetzt haben. Aber: Der Mindestlohn wird längst auch Frau Merkel und der CDU zugeschrieben, die Ehe für alle und der Einstieg in die Erneuerbaren, der Ausstieg aus Kohle und Atom: Nirgendwo sagen die Leute „das hat die SPD aber gut gemacht“.
Ist das nur ein Problem der Öffentlichkeitsarbeit? Der Kommunikation? Müssen wir nur mehr Klappern?
Nein, das glaube ich nicht.
Menschen wählen dich, weil sie Erwartungen für die Zukunft haben, weil sie wissen wollen, was du noch erreichen willst, nicht für das, was in der Vergangenheit geklappt hat und längst selbstverständlich geworden ist. Das ist nicht so ganz fair, aber so ist es.
Dass die SPD solide und verlässlich regiert, reicht als Argument nicht aus, wenn nicht klar ist, welche Ziele wir verfolgen, und wenn wir den Menschen nicht in wenigen Sätzen erklären können, was wir vorhaben und was das für sie bedeutet. Es braucht eine Geschichte, wie die unserer Elterngeneration, die nach den Mühen der Nachkriegszeit, den sozialen und gesellschaftlichen Aufstieg geschafft haben, durch sozialdemokratische Bildungs-, Sozial- und Gesellschaftspolitik. Das Modell Deutschland, das auch international immer noch bewundert wird, haben ganz wesentlich Sozialdemokraten geschaffen.
Unsere Fehler und Versäumnisse dagegen, die hängen uns viel länger an. Vertrauen zu zerstören geht schnell, es aufzubauen und zurückzugewinnen, dauert ungleich länger.
Und zugleich wachsen die Versäumnisse und Bedrohungen. Die Welt hat sich weiter gedreht. Deutschland ist längst nicht mehr so gut, wie wir selbst von uns denken. Die Corona-Lage zeigt es nur zu deutlich. Alle Versäumnisse der vergangen Jahrzehnte fallen uns jetzt mit Wucht auf die Füße: die schlechte Schulpolitik, das Kaputtsparen der staatlichen Instutionen, die fehlende Digitalisierung. Nicht mal das Internet ist noch stabil und international konkurrenzfähig. Ganze Industrien, die gestern scheinbar noch Weltspitze waren, können in ein paar Jahren schon vergessen sein, wie Nokia oder Siemens Mobil.
Was sind die Konsequenzen für uns?
Wir müssen es uns endlich wieder erlauben, Zukunftsperspektiven und politische Visionen zu formulieren, auch wenn wir noch nicht jede Ausführungsverordnung dazu fertig in der Schublade haben.
Dass wir solide regieren können, dass wissen die Leute. Wohin wir aber wollen wir mit dem Land, das ist den Menschen nicht klar. Wer an Zukunft und Optimismus denkt, hat nicht die SPD vor Augen.
Nicht einmal beim Thema soziale Gerechtigkeit werden wir noch wahrgenommen.
Es reicht nicht, wenn wir nur den Anspruch habe,n ein bisschen was am status quo verbessern zu wollen.
Es gab mal eine Zeit, da hat sozialdemokratische Politik Menschen zum Träumen gebracht. Die Älteren erinnern sich. Und natürlich ist das auch heute noch möglich. Denn die Träume von damals sind eben nicht erfüllt, die Hoffnungen nur bedingt erfüllt worden.
Sozialdemokraten haben unser Land besser gemacht.
Aber wir müssen auch dafür werben, dass wir das auch für die Zukunft können und wollen. Es gibt ganz viele Herausforderungen und wichtige Themen. Das Wahlprogramm der SPD, dessen Entwurf jetzt vorliegt, bietet eine hervorragende Basis, um jenseits von einzelnen Maßnahmen wieder über das große Ganze mit den Menschen zu sprechen.
Das müssen wir in den kommenden Wochen und Monaten tun. Dann werden wir auch wieder Erfolge haben.
Ich trete ganz konkret hier im Wahlkreis Offenburg mit zwei Fernzielen vor die Wähler*innen, nennt es gern Visionen: eine gewaltfreie Gesellschaft, in der Kinder und Jugendliche ohne sexuellen Missbrauch, Vernachlässigung, Mobbing, seelische und körperliche Gewalt aufwachsen und echte Chancen für ihr Leben vorfinden; eine Gesellschaft, die sich mit Scheitern und Versagen nicht einfach abfindet, sondern Brücken baut und Hilfen gewährt; eine opferfreundliche Gesellschaft, die den Anspruch hat, Täter nicht nur zu bestrafen, sondern zu bessern.
Und ich kämpfe für eine Welt, in der Krieg und Unterdrückung keinen Platz mehr haben. Wir brauchen ein neues Verständnis von Sicherheit: Wir alle können nur wirklich sicher leben, wenn wir zusammenarbeiten und Probleme, die uns alle angehen, gemeinsam lösen. Die Europäische Gemeinschaft ist vor allem eine Friedensgemeinschaft. Sie darf keine Festung und keine Insel der Seligen sein, die voller Angst ihre Errungenschaften gegen den Rest der Welt zu verteidigen suchen.
Und weil ich weiß, wo ich hinwill, habe ich auch keine Scheu, hinzuhören und hinzusehen, wo es die Menschen vor Ort drückt. Und mich für pragmatische Lösungen einzusetzen, wie das Sozialdemokrat*innen seit über 150 Jahren getan haben. Darauf freue ich mich, mit euch zusammen im kommenden Wahlkampf.
Santiago – Taipei

Willkommen auf der ersten Seite meines Blogs. Danke für das Interesse. Und gleich eine kleine Warnung. Das wird jetzt heute zum Auftakt ein bisschen ein längerer Text.
Dieses Jahr hat begonnen mit einem versuchten Staatsstreich aus dem Weißen Haus heraus gegen das US-Parlament, den Kongress. Ungläubig haben das Millionen Menschen in aller Welt am 6. Januar quasi live im Fernsehen verfolgt.
Bei mir wurden Erinnerungen wach an meine Jugend an einem altsprachlichen Gymnasium. Im Lateinunterricht haben wir die Geschichte von Catilina und seinem Umsturzversuch gelesen, der an der entschlossenen Gegenwehr des Ciceros scheitert. Allerdings verschafft sich die bedrohte Republik nur eine Gnadenfrist, bevor die Freiheit, die ohnehin nur für die eigenen männlichen, erwachsenen Bürger gegolten hatte, durch ein imperiales, autokratisches Regime dauerhaft abgeschafft wurde. Auch wenn sich Geschichte eben nicht wiederholt, gibt sie doch Hinweise und zeigt Muster, die uns eine Lehre oder auch eine Warnung sein können.
Jedenfalls zeigen diese dramatischen Ereignisse sehr deutlich, dass wir turbulente Zeiten erleben. Das liegt auch an der COVID-Krise. Den Hintergrund bildet der sich beschleunigende Klimawandel und die technologische Revolution, deren Ende wir noch gar nicht absehen können. Weltweite Bedrohung des Klimas und die globale Pandemie sind jedenfalls nur die aktuellen und die vielleicht dramatischsten Beispiele für die Umbrüche, die unserer Lebenszeit begleiten.
Auch deshalb wird dieses Wahljahr politisch und gesellschaftlich ein spannendes Jahr. Und für mich ohnehin, weil ich zum ersten Mal aus der Rolle des Beobachters zum Akteur werde, in dem ich im September für den Bundestag kandidiere.
Zugleich erleben wir in den letzten Jahrzehnten die zunehmende Vernetzung und das beschleunigte Zusammenwachsen der Welt. Mehr und mehr wird unser Zusammenleben und unsere Sicherheit in dieser einen Welt durch eine Art „Weltinnenpolitik“ bestimmt. Immer mehr Themen in der einen Welt lassen sich nur gemeinsam bearbeiten, immer mehr Probleme brauchen gemeinsame Lösungen.
KEINE GEWALT – unter diesem Motto werden die beiden thematischen Schwerpunkte stehen, um die ich mich politisch besonders kümmern will. Das ist einmal das Feld der Überwindung sexueller Gewalt insbesondere an Kindern und Jugendlichen. Diesem Kampf habe ich die letzten zehn Jahre gewidmet, persönlich und in der Öffentlichkeit. Hier brauchen wir eine große gemeinsame gesellschaftliche und politische Anstrengung, einen gemeinsamen Plan, eine Agenda mit vielen einzelnen Elementen, die zusammenwirken müssen, „Damit es aufhört“ wie ich es in meinem Buch formuliert habe. Dazu werde ich in den kommenden Wochen Vorschläge machen und dabei Forderungen aufnehmen, die von zahlreichen Akteuren teilweise seit Jahren formuliert werden. Wir müssen sie endlich umsetzen.
Das zweite politische Feld, in der es darum geht, Gewalt zu überwinden, ist die Arbeit an einer zivilen Sicherheitsarchitektur für unsere zusammenwachsende Welt, mit dem Ziel eine gemeinsame Hausordnung und eine gemeinsame Agenda für die eine Welt. Hier will ich daran mithelfen weiterzuentwickeln, was man früher „Außenpolitik“ genannt hat. Nur ein kleines Element, das zeigt wie lokal und global zusammengehören: Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen für das Jahr 2030 formulieren als Vision, die Überwindung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Diese uralte und brutale Form der Gewalt, die die Biographien so vieler Jungen und Mädchen belastet hat, soll endlich gebannt werden. Ein großes Ziel, bei dem wir auch international zusammenarbeiten müssen. Dass wir auf dem Weg zu einer gemeinsamen Weltinnenpolitik schon ein gutes Stück vorangekommen sind, zeigt die weltweite #MeToo-Bewegung. Ähnliches habe ich in der weltweiten Zusammenarbeit von Betroffeneninitiativen von Opfern sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche erlebt.
Und weshalb dieser seltsame Name für das Blog? Nun meine Sicht auf diese eine Welt ist entscheidend geprägt durch die Zeit, die ich in meiner Jugend in Lateinamerika verbracht habe. Bis heute bewegt mich dieser Kontinent. Eine meiner frühen politischen Erinnerungen verbindet sich mit den Bildern vom brennenden Präsidentenpalast in Santiago de Chile am 11. September 1973, als nicht nur ein Experiment in diesem fernen Land blutig zuende ging, sondern auch die Hoffnung auf einen tiefgreifenden Wandel und viele Projektionen und Illusionen bei uns, die sich mit Lateinamerika verbanden.
Zugleich gucke ich mit Neugier und Sympathie auf die Heimat meines Lebenspartners, die Insel Taiwan, die zurzeit vielleicht freiheitlichste Demokratie in Ostasien. Dieses Land hat geschafft, wovon wir für Lateinamerika geträumt haben, nämlich in nur 50 Jahren von einem Agrarland zu einem Hightech-Industrieland zu werden, das die politischen Freiheiten aller seiner Bürger*innen garantiert. 2019 hat Taiwan als erste Nation in Asien, die Ehe für alle verwirklicht.
Chile, das Land mit der verrückten Geographie und Taiwan, das Land mit der verrückten politischen Lage – und dazwischen unsere wunderbare Region hier an der Grenze zu unserem Geschwisterland Frankreich. Eine Region mit vielen Beispielen für den Unternehmergeist, der uns wirtschaftlich erfolgreich und wohlhabend gemacht hat. Eine Region, die schon ganz früh im 19 Jahrhundert sich für Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Mutter- und Vaterland eingesetzt hat. Die dunklen Kapitel überspringe ich jetzt mal, die besondere Rolle unserer Region in der deutschen Kolonialzeit etwa, die KZs, die auch hier in unserer Heimatregion betrieben wurden. Auch dazu möchte ich mich positionieren. Denn wer nicht aus der Vergangenheit lernt, hat keine Zukunft.
Seit der Römerzeit sind Straßburg und Offenburg miteinander verbunden. Zurzeit sind wir gemeinsam Teil des Eurodistricts. Ich bin gespannt darauf, wie wir diese Form der Zusammenarbeit stärken und weiterentwickeln können und will dazu das Gespräch suchen.
Weshalb die einen so arm sind, und es uns so gut geht im Vergleich. Das hat mich immer schon beschäftigt. Das gilt für die Gesellschaften in der Welt, wie für die Frage der Gerechtigkeit bei uns im eigenen Land.
Ich werde also hier über die großen Fragen von Frieden, Entwicklung und Sicherheit schreiben. Aber auch über die konkreten Themen, die bei uns in der Ortenau, in meinem Wahlkreis zwischen Offenburg, Kehl, Oberkirch, Achern beschäftigen. Denn das gehört auch zur „Glokalisierung“: Die Welt wächst zusammen, und zugleich wird der lokale Bezug immer wichtiger.
Wenn ich am Samstag in Offenburg über den Markt schlendere, was ich sehr, sehr gerne tue, dann kann ich aus einer Vielzahl lokal und regional produzierter Lebensmittel auswählen. Es gibt aber auch die Stände mit Produkten aus Italien und Frankreich und mit fernöstlicher Kulinarischen Köstlichkeiten. In der Jacke habe ich dabei ein Smartphone das in Korea oder Taiwan produziert wurde und mich zeitgleich mit der ganzen Welt verbindet. Wir alle leben mehr und mehr glokal. Auch wenn es uns nicht immer bewusst ist. Als ein Standort biologisch-bewusster Landwirtschaft und ökologischer Verantwortung haben wir viel anzubieten.
Sicherheit, Entwicklung, Wohlstand und Lebenschancen gibt es nur in der einen Welt, wenn wir voneinander lernen und zusammenarbeiten.
Dabei bin ich keineswegs naiv, was die Bedrohungen durch autokratische Regime für unsere kleinen freien Gesellschaften betrifft. Aber Sicherheit wird eben in einer zusammenwachsenden Welt nicht nur durch Waffenarsenale und militärische Fähigkeiten garantiert. In den 70er Jahren haben wir dafür in Europa das Bild vom „Gemeinsamen Haus Europas“ entwickelt. Das ist immer noch wichtig die europäische Perspektive einzunehmen, gemeinsam mit unseren Partnern und Freund in der EU aber auch darüber hinaus auf dem ganzen Kontinent. Aber zugleich wird die Zusammenarbeit mit den anderen Kontinenten immer wichtiger. Die aktuellen Schwierigkeiten mit der Zuwanderung aus dem globalen Süden sind dabei nur ein Schlaglicht, auf die Auseinandersetzungen die uns noch bevorstehen, wenn wir nicht bald lernen, globale Innenpolitik zu betreiben.
Dafür will ich mich einsetzen: Zu lernen. Gemeinsam mit allen, die mitdenken, mit entwickeln, mitreden wollen. Aber ohne Gewalt. Nicht naiv, also wehrlos, aber friedfertig und zum Ausgleich bereit. Deshalb werde ich hier Vorschläge machen für eine Alternative Sicherheitskonferenz, auf der dieser erweiterte Sicherheitsbegriff im Mittelpunkt stehen wird.
Zum Schluss noch eine Grundsatzfrage: Warum überhaupt ein Blog? Ist das nicht längst überholt, wäre ein TikTok Account nicht sinnvoller für einen politischen Kandidaten? Ich glaube nach wie vor an die Kraft des Wortes, auch wenn ich um die Macht der Bilder weiß. Die Einträge werden mal länger, mal kürzer sein. Bilder, Videos und Links zu interessanten Texten.
Wie schon gesagt: Der kommende Wahlkampf wird spannend, weil wir in spannenden Zeiten leben. Alles ist möglich. Dieser Optimismus, dass es vorwärts geht, auch wenn es gerade mal nicht so danach aussieht, der begleitet mich. Ich verbinde das mit einem Bild: ein mäandernder Fluss, der aus der Ebene gesehen, scheinbar orientierungslos hin und her schlängelt, ohne voranzukommen. Erst aus dem Abstand und der Höhe betrachtet, wird sichtbar, dass es eine klare Richtung gibt. Zu einer besseren Zukunft.